Endlich ist sie da, unsere Bernina-Woche und es ist perfektes Wetter vorhergesagt. Der holprige Oracle-Upgrade hält mich noch übers Wochenende in München fest, Montag geht es dann aber los. Kurz vor Mittag geben wir unsere Rucksäcke an der Diavolezza-Seilbahn ab (5 CHF pro Mann) und wandern gemütlich bei angenehmem Wind auf dem wenig schönen Weg entlang der Seilbahntrasse zur Diavolezza. Erst nach knapp 1,5h rückt mit dem Piz Cambrena der erste Eisgipfel ins Blickfeld. Dann aber, nach nicht ganz 2h, an der Diavolezza liegt er vor uns, der Festsaal der Alpen: Auch wenn ich das Panorama aus hunderten von Abbildungen schon sehr genau kenne, bin ich doch sehr beeindruckt. Es sind nicht nur die tatsächlichen Dimensionen, sondern die Aura des unmittelbaren Eindrucks, die einen berührt. Der Palü, noch wuchtiger als ich ihn mir vorgestellt habe, scheint mir machbar, der Piz Bernina sieht aber auch von der leichteren Südseite für mich kaum bezwingbar aus. Wir starten gleich zur Erkundungstour um den Piz Trovat herum zum Einstieg in den Pers Gletscher. Ralf befragt ankommende Gruppen intensiv nach den Verhältnissen. Wir bekommen sehr widersprüchliche Aussagen („molto bene“), die sehr ungehaltene Reaktion eines Schweizer Bergführers, der von den schlechtesten Verhältnissen „seit vierzig Jahren“ spricht und uns rät „im Grünen“ Berg steigen zu gehen, zieht uns ziemlich runter. Eine Schnapsidee einen Bergführer zu fragen. Es folgt die übliche „Vortoureinscheißerei“, die bei Ralf und mir so langsam Tradition bekommt. Ein abendliches Gewitter mit recht lang anhaltenden Regen und die Erkenntnis, dass ca. 80% der Anwesenden mit Bergführer unterwegs sind ziehen die Stimmung endgültig in den Keller. Für mich ist klar: Vor und hinter uns sollte mindestens eine Bergführerpartie unterwegs sein. 18.7, 3:30Uhr: Wecken, ich hab recht gut geschlafen. Beim Frühstück stellt sich raus, dass wohl 80% der Anwesenden auf unserem Weg gehen werden, na bitte. Wir starten um 4:30Uhr im Dunklen mit Stirnlampe. Gut, dass wir den Weg am Morgen erkundet haben, zwei Italiener vor uns verhauen sich bereits am Piz Trovat. Ralf murmelt etwas, dass im schlecht sei und er deswegen etwas langsamer gehen wolle. Auch ok, ich bin mir wegen des Asthmas meiner Kondition eh nicht so sicher. Nach 45min am Anseilpunkt wird es hell und es zeigt sich, dass gut zehn bis fünfzehn Seilschaften unterwegs sein werden, und wir sind im ersten Viertel dabei. Super, da bleibt man nicht lang allein in der Spalte liegen. Ralfs Übelkeit ist leider schlimmer geworden und inzwischen hat er auch den vermutlichen Grund genannt, das Hüttenwasser. Ralf geht langsam voran. Nach gut 500m über aperen Gletscher reihen sich alle Seilschaften in die Spur durch den Gletscherbruch. Leider sind wir so langsam, dass wir zum Verkehrshindernis werden, immer wieder lassen wir Seilschaften an uns vorbei. Der Gletscherbruch ist spektakulär, wir passieren eine riesige, gut 3m breite Spalte auf einer fußbreiten Brücke. Wow! Wenig später, auf 3.200m oder nach knapp 2h ist es aber vorbei. Ralf ist kreidebleich, sein Puls rast und er zittert, wir müssen umdrehen. Es ist hart, die anderen Seilschaften mit ihren fragenden Blicken zu passieren. Unten, im aperen Teil des Gletschers muss Ralf sich heftig übergeben, er ist total fertig und der Rückweg mit Gegenanstieg zur Hütte ist eine Tortur für ihn. Auf der Hütte legt er sich schlafen und ich steige zwischen Scharen von Seilbahnwanderern auf den Munt Pers (40min). Ich genieße den Ausblick und mach oben sogar ein Nickerchen, ich bin nach wie vor voller Zuversicht den Palü am nächsten Tag zu packen. Und mit dem Palü in der Tasche kann sich auch mal den Spallagrat aus der Nähe ansehen. Über den Nachmittag zerschlägt sich diese Hoffnung dann scheibchenweise, die Bernina ist für dieses mal gestorben. Ralf will mit der Seilbahn abzufahren, ich gehe zu Fuß runter. Ich schaue noch mal zum Palü hoch, als ich zum Handy greife, um Annabelle Bescheid zu geben, heule ich wie ein Schlosshund.