25.7: Es ist soweit: Um 6:00Uhr morgens starten wir nach Chamonix, obwohl mir klar ist, dass ich nicht die Form für dieses Unternehmen habe. Im Frühjahr habe ich mit weniger schlechter Form die Skitourenwoche im Wallis abgesagt. Ich hoffe, mich wie auf der Königsspitze irgendwie durchwurschteln zu können. Kurz vor Argentière erhaschen wir die ersten Blicke auf die zahlreichen Aiguilles, kurz darauf sehen wir erstmals den Mont-Blanc. Der Adrenalinspiegel steigt und erreicht einen ersten Peak als wir mit der Seilbahn durch die inzwischen dichte Wolkendecke brechen und die Rippen und Hängegletscher des Gipfelaufbaus der Aiguille du Midi erblicken. Wow, was für Berge! Die Aussicht von der Touristenterrasse auf der Aiguille ist atemberaubend und Respekt einflösend. Mein Schneid ist mir schon abgekauft als ich Größe, Entfernung und Wildheit unserer Route erstmals mit eigenen Augen sehe. Die Überfahrt mit der umstrittenen Seilbahn zur Pointe Hellbronner ist ebenfalls eine Sensation, denn dieses Gebiet ist so vielmehr als nur sein Hauptgipfel. Dent du Geant, Teufelsgrat, Rochefort-Grat, die Eisrinnen am Tacul, Jorasses, Aiguille verte und wie sie alle heißen. Mir ist sofort klar, warum Mark Twight Chamonix als den "Place to be" gewählt hat. Selbst wenn gar nichts geht, hat es sich schon wegen dieser Seilbahnfahrt gelohnt. Kurz nach unser Seilbahnfahrt zieht es endgültig zu, für mich wird es eine erholsame Nacht auf dem grenzenlos häßlichen Rifugio Torino.
26.7: Frühstück um 4:00Uhr in der Atmosphäre einer abgefuckten Bahnhofshalle, draußen dichter Nebel. Wir lassen uns Zeit und starten gegen 5:20 Uhr allein auf weiter Flur. Am Abzweig zur Tour Ronde holt uns ein Bergführer mit einem Kunden ein, dem wir gern den Vortritt lassen. Bergführer und Kunde zweigen zur Flanke der Tour Ronde ab. Das OHM hatte von dieser Route wegen Steinschlaggefahr abgeraten. Wir halten weiter auf den Col d'Entrèves zu, den wir 20min später um kurz vor 7:00Uhr erreichen. Jenseits des Grats kommt die Sonne durch, wir erhaschen perfekte Blicke auf den Brenva-Gletscher und den Peuterey-Grat mit Aiguille Noire, Aiguille Blanche und dem Mont Blanc de Courmayeur. Wow! Wir legen ein Depot an und machen uns auf in den Fels, doch schon bald wird klar, dass hier kein Durchkommen ist. Steigschlaggefährdetes Absturzgelände, ein Weg der nicht mehr als einen IIer erfordert ist nicht zu erkennen. Trotz intensiven Studiums der Wegbeschreibung können wir den richtigen Einstieg nicht finden, wie auch, die Sicht beträgt kaum 30m. Wir brechen ab. Gegen 9:00Uhr stehen wir am Gletscherbruch des Glacier du Geant als es zaghaft aufreißt und wir einige Gruppen erkennen, die sich zur Tour Ronde auf machen. Wir beschließen es noch einmal zu versuchen und tatsächlich erkennen wir diesmal eine Spur, die gut 100m weiter westlich von unserer Einstiegsstelle auf den Grat führt. That's it! Kurz nach 10:00Uhr arbeiten wir uns die gut 40 Grad steile, hart gefrorene Flanke hoch. Gut, dass wir das erst kürzlich geübt haben, vor einem Jahr hätte ich mich das nicht getraut. Etwas nachdenklich stimmt mich, dass der Bergführer von heute Morgen erst jetzt mit seinem Kunden hier herunter kommt (d.h. 3h rauf und runter von hier) und dass alle übrigen Gruppen ihre Eingehtour auf die benachbarte Aiguille d'Entrèves verlegen. Auf dem Grat ein Deja-vu. Nach wie vor ausgesetztes Klettergelände, die IIer-Route will hier erst mal gefunden werden. Ohne Sicherung ziemlich riskant. Der zweite Abbruch heute, naja richtig aufgerissen hat es eh noch nicht. Die Wanderung über den Glacier du Geant und den Gletscherbruch unterhalb des Tacul sind dafür wieder sensationell. Ab Mittag reißt es dann endgültig auf. Die 500hm vom tiefsten Punkt am Glacier zum Refuge de Cosmiques (14:30Uhr) führen mich leider in den roten Bereich. Hoffentlich bringt das Langschläferfrühstück auf dem wider Erwarten angenehmen Refuge die nötige Erholung.
27.7: Dichter Nebel, über Nacht hat es 25cm geschneit, als wir kurz vor sieben aufstehen ist noch keiner in Richtung Mont-Blanc gestartet. Viele sind schon auf dem Weg nach unten. So kann es auch laufen. Wie angekündigt reisst es auf und es wird ein strahlender Tag. Wir machen wir uns um kurz vor neun auf zum Tacul. Die breit getretene Autobahn des Vortags ist verschwunden, in der Flanke folgen wir den zaghaften Tritten der zwei Gruppen vor uns, das ist fast schon wie selber spuren. Die Taculflanke beginnt knackig steil, unterhalb des ersten Bruchs sind es deutlich über 35 Grad, ja der hat sein PD+ schon verdient. Nun löst sich auch das Geheimnis, wie der erste riesige Spalte zu überwinden ist. Per Leiter! Eine ziemlich wacklige Angelegenheit, gewürzt durch die Tatsache, dass der steile Ausstieg hart vereist ist. Peter steigt vor und sichert uns per Steckpickel nach. Weniger steil geht es weiter durch eine herrliche Gletscherlanschaft in der immer wieder zweifelhafte Brücken zu überwinden sind. Etwa auf 3.850m treffen wir auf eine weitere große Spalte, etwa 1,5m Höhenunterschied sind über dem Spaltenschlund zu überwinden. Anders als die beiden Gruppen vor uns umlaufen wir die Stelle weiträumig. Durch weitere Bruchzonen erreichen wir über eine vereiste Steilstufe etwa um 11:45Uhr die Taculschulter und blicken in die steile Mauditflanke. Wow, das ist ein Berg für sich und obwohl es mir bis hierher sehr gut ging, weiss ich, was das für mich bedeutet. Bei zünftig frischem Wind machen wir uns über einen breiten Rücken auf zum Taculgipfel. Der felsige Gipfelaufbau ist vereist, mit etwas Vorsicht aber leicht machbar. Oben (12:35 Uhr) erwartet uns eine geniale Aussicht auch wenn es über dem Mont Blanc schon zuzieht. Kurz nach 13:00Uhr verlassen wir den Gipfel und genießen im Abstieg die fantastischen Blicke. Kurz vor 16:00Uhr sind wir wieder an der Hütte und beziehen das Lager der 1:00Uhr-Aufsteher.
28.7: Um 1:45h stehen wir abmarschbereit vor der Hütte. Ich habe gut geschlafen, aber riesen Bammel. Ich weiß genau, dass die ich diese Tour konditionell nicht drauf habe, zumal meine Muskeln vom Vortag noch müde sind. Ich habe aber ein Recht es zu versuchen! Die Verhältnisse sind perfekt, die Nacht ist sternenklar und der Mond leuchtet hell. Die Glühwürmchenkarawane reicht schon bis in den oberen Teil der Taculflanke. Gemächlichen Schrittes reihen wir uns ein. Am Beginn des Steilstücks lässt sich Peter zu einem Überholmanöver hinreißen, dass mich sofort in den roten Bereich bringt. Hinzu kommt, dass wir nicht am kurzen Seil gehen, was zu permanenten Seilsalat führt. Auch das setzt mir zu. Kurz vor der großen Spalte, nach etwa einer 1h binde ich mich aus, es ist der letzte Punkt an dem ich vertretbar allein umkehren kann. Meine Enttäuschung in dieser und den nächsten Stunden ist unbeschreiblich. Ich versuche mich auf das Positive zu konzentrieren, gegen 7:00Uhr wandere ich auf einen Hügel am südöstlichen Ende des Col du Midi und genieße ein letztes Mal die fantastische Aussicht im Morgenlicht. Gegen 8:00Uhr zieht es zu. Die 300hm Anstieg zu Aiguille du Midi (spektakulärer Schlußgrat) führen mir nochmal unmissverständlich vor Augen, dass der Mont-Blanc für mich heute unmöglich gewesen wäre. Ich verbringe einen netten Nachmittag in Chamonix mit Abstecher nach Argentière. Gegen 18:00Uhr hole ich Peter und Markus an der Seilbahn ab, sie haben es in 6:30h geschafft...