Nicht einmal von der vollen Griesner Alm lassen wir uns abschrecken und übernachten im Auto, bzw. Peter draußen auf der Gartenliege. Die Nacht ist erholsamer als gedacht, der mitgebrachte Kaffee in der Thermoskanne noch warm, und so starten wir bereits um 5:20Uhr Richtung Stripsenjochhaus. Leider ist es wolkig, von Traumtag ist nichts zu sehen und so wird es anders als vorhergesagt den ganzen Tag bleiben.
Kurz nach halb sieben stehen wir an der Rinne. Ich steige etwa 15m rauf, da es aber pitschnaß und extrem rutschig ist, breche ich ab und wir beschließen über die Platten links der Rinne aufzusteigen. Die sind ganz schön steil. Zunächst muss man auf Reibung gehen, dann - hoch über dem Einstieg - in einem Riß zum ersten Stand ohne Möglichkeit zur Zwischensicherung. Hui, das war schon mal ein erster Nerventest. Die zweite Seillänge ist erheblich leichter und nach ca. 40min machen wir uns an den Gehanstieg zur Schlüsselseillänge, diesmal ohne Verhauer.
Peter steigt die Schlüssellänge ganz gut voraus und macht wie abgesprochen auf halben Weg Zwischenstand. Trotz etwas Bammels nehme ich den Nachstieg ganz locker. Die zweite Hälfte der Schlüsselseillänge steige ich vor. Diese beginnt mit einer kurzen, aber scheinbar völlig glatten Platte ordentlich ausgesetzt an der Gratkante. Zunächst finde ich keine Lösung, doch dann entdecke ich zwei feste Schuppen, hinter die man gut greifen kann und steige relativ locker auf Reibung hoch. Hinter der Platte folgt dann bis zum Stand und auch in der Seillänge danach einfaches, aber luftiges IIer-Gelände. Kein Problem.
Weiter geht es über Gehgelände bis zur Rettungsbox der Bergwacht sowie eine letzte kurze IIer Stufe, dann ist der Fleischbankpfeiler erreicht und überstiegen (2:10h ab Einstieg). Nun folgt der lange Abschnitt Gehgelände, der immer wieder mit kurzen, einfachen Kletterstellen durchsetzt ist. Wir gehen fast die gesamten 45-60min dieser Passage am kurzen Seil, kurz vor Schluss bekommt Peter aber Bedenken und wir binden uns aus. Wenig später erreichen wir die nächste Kletterstelle, eine markante Rampe (III). Die ist leichter als sie aussieht und mit zwei Seillängen schnell überwunden. Oberhalb der Rinne machen wir auf einer luftigen Aussichtskanzel Brotzeit (5h).
Ab der Pause lässt unser Tempo nach. Das Gelände ist einfach, aber wir sichern konsequent und so zieht es sich bis zum nächsten Knaller, den "luftigen, aber tollen Türmchen" wie es im Führer heißt. Oh Sch..: Über einen Meter stehen zwei der Türmchen auseinander, die man mit einem entsprechenden Spreizschritt hoch über dem gähnenden Abgrund überwinden muss. Sieht gruselig aus wie Peter darüber turnt - oder besser: würgt. Offenbar hat er nicht den besten Weg gefunden, denn das soll nur ein II+ sein. Mir gelingt das besser, weil ich etwas absteige und so mit einem kürzeren und sichereren Schritt rüberkomme. Dann ist das Gipfelkreuz endlich in Sicht. Die letzte Seillänge über die "plattige Kante", gut 400m direttisima über dem Ellmauer Tor, darf ich im Vorstieg nehmen. Dann ist es geschafft: Nach 7,5h (ab Einsteig!!) haben wir den Fleischbank-Nordgrat gepackt. Keine Menschseele ist uns bisher hierher begegnet.
Wir machen ca. 30min Gipfelpause, dann steigen wir ab. Über Gehgelände erreichen wir die erste Abseilstelle. Nach drei Abseillängen und etwas fieser IIer Kletterrei haben wir den Gipfelaufbau verlassen, steigen zur Scharte zwischen Christaturm und Karlspitze und finden sehr schnell den Einstieg zur Abseilpiste runter zum Ellmauer Tor. Während die erste Abseillänge prinzipiell noch abkletterbar wäre, geht es ab der zweiten zur Sache: Abbruchkanten, glatte Wände, viel Luft unterm Hintern. Nur schnell durch. Wir teilen unserer Seil mit zwei jungen Cracks aus Reichenhall, die zu uns aufgeschlossen haben, und so kommen wir in den Genuß ihres 60m Doppelseils, so dass wir mit drei statt fünf Abseillängen durchkommen. Auf jeden Fall kann mir danach kein Abseilen mehr Angst machen, die hab ich hier endgültig aufgebraucht.
Es bleibt der lange Abstieg über den Eggersteig durch die steinerne Rinne, der sich ziemlich hinzieht und am Schluss mit einigen lästigen Gegenanstiegen aufwartet. Dafür wird das Wetter immer besser. Kurz vor 18:00Uhr, 12,5h nach unserem Start sind wir glücklich und müde am Auto.