Der Bergsommer 2019 ist bisher nicht besonders erfolgreich verlaufen und trotz allem Streß hab auch ich Bock auf eine gescheite Hochtour. Das verlängerte Wochenende um Mariä Himmelfahrt bietet die einzig realistische Möglichkeit für so eine "Halbexpedition" mit immerhin fast 5 Stunden Anfahrt. Das Wetter ist nicht schlecht genug, um es zu lassen, die Hütte frei, also los.
Freitag, 8:15Uhr starten wir bei Peter, der Verkehr ist ok, schon nach 2:45h verlassen wir die Autobahn hinter Bozen und wähnen uns schon fast am Start. Es folgen aber noch zähe 1,5h auf der Landstraße bis Stavel und abenteuerliche 45min im Schritttempo auf dem schmalen Forstpfad hinauf zum vollgeparkten Forte Pozzi Alti (1.884m). Puuh, ein harter Beginn und die Fahrt runter liegt mir mehr im Magen als jede zu erwartende Gletscherspalte.
Gegen 14:00Uhr starten wir zur Hütte über einen spektakulären alten Militärweg mit niedrigem, dunklem Tunnel und ausgesetzten, in die Felswand gesprengten Bändern. Nach etwa 20min biegt der Weg nach Süden ab, die Presanella rückt spektakulär in den Blick und nach knapp einer weiteren Stunde erreichen wir über den jetzt milden Bergweg das Rifugio Denza (2.298m).
Schnell beziehen wir das bequeme 5er Zimmer, das wir für uns alleine haben und machen uns gleich auf zu einer Erkundungstour hinauf zum Gletscher. Wie angekündigt steilt es gleich hinter der Hütte zünftig auf. Gut 250hm auf einem gut markierten Pfad sind bis zur Moräne zu bewältigen, die wir nach flotten 40min erreichen. Ein Foto-Dorado erwartet uns.
Zurück auf der Hütte stellen wir fest, dass wir morgen die einzigen Praesanella-Aspiranten sein werden. Der junge, freundliche Hüttenwirt - immerhin Cerro-Torre Bezwinger, wie die Fotos in der Gaststube beweisen - gibt uns den Rat schon um halb fünf zu starten. Wundert uns, aber dieser Tipp sollte sich als goldrichtig und als Schlüssel zum Erfolg erweisen.
Nach durchaus erholsamer Nacht und einem lieblosen Thermosfrühstück starten wir pünktlich um 4:30Uhr in die Dunkelheit. Dank der Erkundung vom Vortag erreichen wir die Moräne problemlos und zügig. Auch der weitere Weg nach Westen auf der Moräne entlang des Gletscherbeckens ist gut markiert und im Dunklen einfach zu finden. Als es hell wird, sind wir bereits nach Norden Richtung Passo Cercen geschwenkt. Ich hatte mir allerdings nicht vergegenwärtigt, dass es von hier noch 500hm bis zum Einstieg in den Gletscher sind. Entsprechend verwundert bin ich, dass es bis kurz nach 7:00Uhr hinzieht, bis wir den Anrödelpunkt auf 2.950m erreichen.
Der Gletscherteil hinauf zum Freshfield-Sattel ist länger und steiler als ich erwartet hatte. Es ist auch alles andere als offensichtlich, wo man am besten aufsteigt. Rechts scheint es spaltenfrei, dafür ist es blank und deutlich über 40Grad steil. Links ist es flacher, aber stark verspaltet. Wir halten auf die Mitte zu, um alles weitere aus der Nähe zu erkunden. Dabei treffen wir auf ein paar Spuren vom Vortag, die durch die Wandmitte führen und einen guten Kompromiss aus Neigung und Spalten darstellen. Denen folgen wir und erreichen um 8:45Uhr den Freshfield-Sattel.
Ab hier ist der Rest der Tour gut einsehbar. Kurzes Abklettern am Fixseil, eine einfache Firnquerung und ein langer Blockgrat mit einem Firnabschnitt. Der Blockgrat ist nicht schwierig, solange man den richtigen Weg findet. Nicht immer ist das Steinmandl-Suchspiel erfolgreich, aber richtige Verhauer können wir Gott sei Dank vermeiden. Der Firngrat ist leider deutlich kürzer als in den wohl veralteten Abbildungen und lässt sich inzwischen bequem südlich umgehen. Es zieht sich bis zum Gipfel, den man komplett südwestseitig umrundet und die letzten 50hm direkt von Süden bewältigt.
Um 10:15Uhr ist es geschafft, 5:45h nach unserem Aufbruch stehen wir am Gipfel der Presanella, 3.556m. Während wir Gipfelrast machen erreichen noch einige weitere Partieen den Gipfel, allerdings alle von Süden, wir bleiben heute die einzigen, die den deutlich schöneren und alpineren Nordanstieg gewählt haben. Es ist wirklich gut, auch mal woanders hin zu fahren, die ungewohnte Gipfelschau, macht mir gleich Lust auf vieles Neues.
Der Abstieg verläuft problemlos, langsam zahlt sich auch hier die Erfahrung aus. Wie immer kommt einem der Abstieg endlos vor, es wird bullenheiß um die Mittagszeit und die Getränke gehen schon lange vor erreichen der Hütte aus. Es ist 15:00Uhr als wir ausgetrocknet die Hütte erreichen, immerhin 4:30h haben wir für den Abstieg benötigt. Ähnlich zäh zieht sich der Weg zum Parkplatz, erst um 16:30 Uhr machen wir uns an die "Schlüsselstelle", die 6km-Aufahrt den engen Forstweg hinunter. Immerhin ein "Begegnungsmanöver" mit Rücksetzen bergauf ist zu bewältigen, auch das bekommen wir schadenfrei hin.